Das Leben mit Demenz stellt nicht nur Betroffene selbst, sondern auch deren Angehörige vor große Herausforderungen. Viele Angehörige fragen sich, wie sie mit der erkrankten Person umgehen und was sie im Alltag beachten sollten. Eine Expertin bei Alloheim gibt Antworten und Ratschläge zum Umgang mit Demenz.
18.03.2022
„Ganz wichtig für Angehörige von demenziell veränderten Menschen ist eine Auseinandersetzung mit dem Krankheitsbild, um das ‚Warum‘ dahinter und die Veränderungen, die Demenz mit sich bringt, zu verstehen“, erklärt Michelle Emmrich, stellvertretende Leitung des Sozialen Dienstes in der Alloheim Senioren-Residenz „Bramsche“. Durch ein verändertes Erleben nehmen demenziell veränderte Menschen die Welt um sie herum anders wahr. Für sie ergeben ihre Handlungen einen Sinn. Wenn das Gegenüber diese nicht versteht, kann das zu Frustration und Hilflosigkeit auf beiden Seiten führen. „Deshalb sollte man sich in die Gefühlswelt des demenziell veränderten Menschen begeben und diese auch akzeptieren. Wenn der Betroffene sich beispielsweise auf den Weg zur Arbeit machen möchte, hilft es nicht zu erklären, dass er bereits seit 30 Jahren pensioniert ist. Stattdessen sollte man sich in seine Situation hineinversetzen und zum Beispiel entgegnen, dass er diese Woche Urlaub hat und nicht auf die Arbeit muss“, rät die 25-jährige Gerontologin, die sich während ihres Studiums unter anderem mit Alterskrankheiten wie Demenz auseinandergesetzt hat und während ihrer fast zehnjährigen Tätigkeit als Pflegehelferin viel Erfahrung im Umgang mit demenziell veränderten Menschen sammeln konnte.
Man sollte selbst Ruhe ausstrahlen, geduldig bleiben und dem Erkrankten das Gefühl geben, ihn zu verstehen – und nicht das Gegenteil.
Eine Demenzerkrankung verändert den gesamten Menschen: seine Wahrnehmung, sein Verhalten und seine Persönlichkeit. Bei beginnender Demenz ist oftmals das Kurzzeitgedächtnis beeinträchtigt und es treten erste Symptome wie Vergesslichkeit, Wortfindungsstörungen und Orientierungsschwierigkeiten auf. Im Verlauf der Krankheit wirkt sich die Beeinträchtigung auch auf das Langzeitgedächtnis aus, wodurch vorhandene Fähigkeiten und Fertigkeiten der Betroffenen, die sie während ihres Lebens erworben haben, verloren gehen.
Quelle: Bundesministerium für Gesundheit
Durch Beeinträchtigungen der Sprache und des Auffassungs- und Denkvermögens können Menschen mit Demenzerkrankung komplexe Sätze oft nicht mehr verstehen. „Deshalb sollte man darauf achten, seine Sprache an die des Betroffenen anzupassen: Also möglichst kurze und einfache Sätze zu formulieren“, erklärt Michelle Emmrich. Auch Fragen können Betroffene vor große Herausforderungen stellen: „Angehörige sollten ‚Warum-Fragen‘ und offene Fragen vermeiden. Zum Beispiel überfordert Betroffene die Frage ‚Was möchtest du heute unternehmen‘. Stattdessen sollte man direkte Fragen bevorzugen und Möglichkeiten benennen, zum Beispiel: ‚Sollen wir heute spazieren gehen oder lieber etwas malen‘.“
Zur Kommunikation zählt jedoch nicht nur die Sprache, wie Emmrich erläutert: „Ganz wichtig ist auch, auf die nonverbale Kommunikation durch Mimik, Gestik und Berührungen zu achten. Eine passende Körpersprache kann die eigene Botschaft deutlicher und verständlicher für demenziell veränderte Menschen machen.“
„Ein strukturierter und von Routinen geprägter Tagesablauf ist für demenziell veränderte Menschen sehr wichtig. Denn diese täglichen Wiederholungen könnten sich bei ihnen manifestieren und ihnen dadurch Sicherheit geben“, klärt Michelle Emmrich auf. Struktur kann zum Beispiel durch feste Uhrzeiten für Frühstück, Mittag- und Abendessen oder auch bei der täglichen Körperpflege geschaffen werden: „Das Pflegepersonal unserer Einrichtung versucht, soweit es möglich ist, immer zu festen Uhrzeiten die Versorgung des jeweiligen Bewohners durchzuführen. Somit kann sich das Ritual der Morgenpflege manifestieren und dann weiß der Bewohner jeden Tag, wenn es zum Beispiel 8 Uhr ist, dass gleich die Morgenpflege stattfindet.“
Auch regelmäßige Aktivitäten und bereits vor der Krankheit aufgebaute Routinen können zu einem strukturierten Tagesablauf beitragen. „Gewohnheiten sollten beibehalten werden, um der demenziell veränderten Person Vertrauen und Sicherheit zu gewährleisten. Wenn der Erkrankte zum Beispiel jede Woche zum Stammtisch gegangen ist oder den Gottesdienst besucht hat, sollten diese Routinen auf jeden Fall beibehalten werden“, so Emmrich.
Alten Hobbys nachgehen – das wird auch bei der Betreuung von demenziell veränderten Bewohnern in den Alloheim Senioren-Residenzen berücksichtigt: „Die Biografie eines Menschen steht für uns immer im Vordergrund. Deshalb füllen Angehörige, bzw. soweit möglich auch die Bewohner selbst, zum Einzug in unsere Residenz einen Biografiebogen aus. Darin wird unter anderem abgefragt, was früher zu den Interessen zählte, wie zum Beispiel die Gartenarbeit. Und diese Gartenarbeit wird dann auch als Therapiemöglichkeit für den Bewohner aufgegriffen. Die vertrauten Bewegungen, beispielsweise beim Harken der Erde, können Erinnerungen und Emotionen von früher hervorrufen“, berichtet Michelle Emmrich.
Grundsätzlich sollte versucht werden, die Selbstständigkeit von demenziell veränderten Menschen so lange wie möglich zu bewahren. Deshalb können Angehörige den Erkrankten bei kleineren alltäglichen Aufgaben einbeziehen, die er, je nach Krankheitsstadium, noch selbstständig erledigen kann. „Beschäftigungen, wie Bewegung, kreative oder handwerkliche Arbeiten fördern und fordern die noch vorhandenen Fähigkeiten von demenziell veränderten Menschen. Außerdem wird ihr Selbstwertgefühl gestärkt, da sie kleine ‚Erfolge‘ durch gemeisterte Aufgaben feiern können“, erklärt Michelle Emmrich.
Dazu zählt auch die Erinnerungs- und Gedächtnispflege: „Bei einer beginnenden Demenz ist das Langzeitgedächtnis meist noch gut erhalten. Wenn Angehörige schöne Ereignisse aus der Vergangenheit ansprechen, kann das positive Gefühle beim Erkrankten anregen. Wir fertigen in unserer Residenz deshalb zum Beispiel gerne Erinnerungsalben zusammen mit den demenziell veränderten Bewohnern an. Fotos von wichtigen Ereignissen und Personen aus ihrem Leben mit kurzen Beschreibungen dazu können den Bewohnern dann eine schöne Erinnerungsstütze sein und ihr Gedächtnis anregen.“
Die Pflege eines demenziell veränderten Familienmitglieds zu Hause kann für Angehörige auf Dauer sehr belastend sein. „Hilfs- und Beratungsangebote sollten auf jeden Fall genutzt werden, um als Angehöriger einfach selbst Kraft zu tanken. Manchmal tut auch der Austausch mit anderen, die in derselben Situation sind, sehr gut“, weiß Michelle Emmrich.
Außerdem müssen sich Angehörige selbst eingestehen können, wenn sie professionelle Unterstützung benötigen. „Dazu gibt es keinen pauschalen Zeitpunkt, da das persönliche Maß einer möglichen Überforderung bei jedem pflegenden Angehörigen unterschiedlich schnell erreicht ist. Aber wenn man merkt, dass man nicht mehr adäquat mit der Situation umgehen kann, selbst darunter leidet und dem Erkrankten kein gutes Gefühl bzw. Sicherheit mehr bieten kann – dann sollte man sich professionelle Hilfe suchen, zum Beispiel durch einen ambulanten Pflegedienst oder durch die Unterbringung in einem Pflegeheim“, rät Michelle Emmrich.
Neben der Alloheim Senioren-Residenz in Bramsche haben sich viele weitere Alloheim-Einrichtungen auf innovative Pflege- und Therapiekonzepte bei Demenz spezialisiert. In gesonderten Wohnbereichen erhalten Betroffene die Hilfe und Sicherheit, die sie benötigen – optimal umsorgt von qualifizierten Fachkräften.