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Sieghard Wilm: Seelsorge zwischen Reeperbahn und Alloheim

13.09.2024

Pastor Wilm

Sie stammen aus Schleswig-Holstein und sind seit 2002 Pastor auf St. Pauli. In diesem Zusammenhang betreuen Sie u.a. die dort ansässige Alloheim Senioren-Residenz Elisabeth.

Genau, ich bin als evangelischer Pastor für alle Bewohner des Hauses als Seelsorger ansprechbar. Die Mehrheit der Bewohner sind meine Gemeindemitglieder, die ein Recht auf Seelsorge und regelmäßige Gottesdienste haben. Da viele nicht mehr mobil sind, komme ich daher direkt zu ihnen in die Einrichtung.

Folgen diese Besuche und Messen einem festen Plan wie die sonntäglichen Messen in den Gemeinden?

Ich mache jeden Monat einen Gottesdienst, in der Regel mit Abendmahlsfeier. Zusätzlich mache ich an einem Nachmittag pro Monat Hausbesuche, komme aber auch auf Abruf, wenn ich angefordert werde. Wenn jemand im Sterben liegt, werde ich von Angehörigen auch oft gebeten, die Salbungsrituale durchzuführen oder Verstorbene auszusegnen.

Das Gespräch und Zeit mit den Gemeindemitgliedern zu verbringen, sind ebenfalls wichtige Teile Ihrer Arbeit. 

Mir ist es sehr wichtig, mit den Bewohnerinnen in Kontakt zu kommen, insbesondere mit dementiell erkrankten. Wir reden gerne über Gott und die Welt, kleine Wunder und Wunden des Alltags. Ich biete bei diesen Treffen auch immer an, miteinander zu singen oder zu beten - und für alle habe ich natürlich auf Wunsch einen Segen. 

Bei den Gesprächen mit den Bewohnern, und den Angehörigen, gibt es sicherlich eine große Bandbreite an Themen.

Oft sind es alte Lasten, die die Seele beschweren und irgendwie rausmüssen. Darunter sind häufig familiäre Themen, die die Bewohnerinnen oder Angehörigen sonst mit niemandem besprechen können. Gespräche, die ich führe, unterliegen natürlich der Schweigepflicht.

Sicherlich gibt es aber ganz besondere Erlebnisse im Zusammenhang mit Ihrer Berufung im Haus Elisabeth, über die Sie berichten können?

Eine Bewohnerin war eine richtige Orgelfreundin. Als wir eine neue Orgel in der St. Pauli Kirche gebaut haben, hat sie dafür gespendet. Obwohl sie halbseitig gelähmt war, konnten wir es möglich machen, dass sie zur Einweihung kam. Sie hat so gestrahlt und war stolz, ihren Teil beigetragen zu haben. Eine andere Bewohnerin hat mir mal verraten, was für Musik sie auf ihrer Beerdigung gespielt haben möchte, weil es ihre Lieblingsmusik ist. Als Überraschung habe ich zu ihrem Geburtstag drei Musiker organisiert, die für sie diese Musik gespielt haben. Das war ein großes Fest. 

Sie sind in erster Linie der Seelsorger der Schanze und St. Pauli, ein berühmt-berüchtigtes Viertel der Hansestadt. Die beiden Pole zwischen dem Engagement im Seniorenheim und den Aufgaben auf der Schanze könnten kaum kontrastreicher sein.

Ich bin Pastor der St. Pauli Kirche und somit für den Kiez an der Reeperbahn und die Schanze zuständig. Insgesamt wohnen in diesem Gebiet 22.000 Menschen. Dazu kommen Millionen von Touristen jährlich. Viele Bewohner mögen die Lebendigkeit des Stadtteils, der aber auch viele Herausforderungen mit sich bringt. Da ist viel Show und gleichzeitig im Abseits viel Not, denn Obdachlosigkeit, Drogen, Alkoholismus und viele Polizeieinsätze bestimmen das Leben. Da tut es mir gut, im Elisabeth Altenheim eine gepflegte Atmosphäre zu finden. Mit dem schönen Garten ist es geradezu eine Oase inmitten der Großstadt. Da schätze ich das Gespräch und Gebet im geschützten Raum.

Nehmen Sie von den Erfahrungen auf der Reeperbahn etwas mit in die Senioren-Residenz?

Ich erzähle in den Gottesdiensten immer anschaulich vom Leben auf dem Kiez, wo immer spannende Geschichten passieren. Das ist für viele Bewohner heimatlich und unterhaltsam zugleich. Am liebsten bringe ich alle zum Lachen.

Abschließend: Worin sehen Sie die Hauptaufgaben der Seelsorge in der heutigen Zeit?

Zeit und Raum für ein vertrauensvolles Gespräch zu schaffen. Ich höre zu, tröste und entlaste die Seele – Alles Dinge, die uns stärker machen und immer wichtig sind.